Es ist zu lesen seit dem 17.12.2005
auf www.bildimpuls.de ...

Gott im Mensch
München-Riem
www.bildimpuls.de 17.12.2005 von Patrik Scherrer

Befände sich das Glasfenster nicht in einer katholischen Kirche, käme wahrscheinlich niemand auf den Gedanken, seine Thematik mit Maria in Verbindung zu bringen. Denn es zeigt sich uns in abstrakten Formen: einander überlagernde blaue Flächen in den Seitenbereichen, transparente Glasstäbe in der Mitte. Die Dreiteilung springt ins Auge, ebenso die Verjüngung des hellen mittleren Bereiches. Die blaue Farbe mag an Maria erinnern, kann aber auch für die Nacht stehen oder als Farbe des Himmels interpretiert werden, welche die vertikale Lichtgestalt umgibt.

Dieser ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückte Bereich erscheint uns wie ein Lichtkorridor, der von oben nach unten das Glasfenster durchquert. Glasstäbe scheinen in dichter Fülle in ihm nach unten zu schweben. Die meisten sind transparent, einige sind Gelb oder Blau. Die Ansammlung von farbigen Stäben wie deren horizontale Anordnung erdet die ”Niederkunft“ der Stäbe, gibt ihnen eine Basis. Der Lichtkorridor kann also ebenso als Gefäß gesehen werden und – durch die Verengung in der Mitte – als vereinfachte Darstellung der weiblichen Taille.

Dadurch wird auch in der Mitte des Glasfensters die Sicht auf Maria frei, welche durch die Botschaft des Engels in ihrer Körpermitte das ”Licht der Welt“ (Joh 8,12) empfangen und ihm eine temporäre Wohnstatt geschenkt hat. Durch das weiße Licht, die schwebende Anordnung der Glasstäbe wie durch die drei Glasschichten wird wiederholt auf die Transzendenz Gottes hingewiesen, der sich durch die Menschwerdung seines Sohnes sinnlich erfahrbar gemacht hat. In der Stabform kommt einerseits die Botschaft des Herolds zur Sprache, anderseits transportiert der Glasstab selbst das Licht von einem Ende zum anderen.

Die Vielzahl der Stäbe mag auf die Gnadenfülle hinweisen, mit der Maria durch Gott gesegnet worden ist. Der einzelne Stab hingegen auf Jesus, der in seinem öffentlichen Leben immer wieder auf seinen Vater hin wies und sich bezüglich seiner Mission transparent zeigte: ”Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat, und wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat. Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.“ (Joh 12,44-46)

Das Glasfenster von Hella De Santarossa lädt zur Meditation über das Werden Gottes im Mensch Maria wie in uns ein. Die schwebenden Stäbe suggerieren ein aktuelles Geschehen. Die über das ganze Fenster verstreuten kleinen Glasstücke mit kristallinen Formen lassen an die Stille des Schneefalls denken und dass sich die Menschwerdung Gottes leise und kaum wahrnehmbar nur dem aufmerksamen, wachen Geist offenbart.

In der gleichen Kirche befindet sich von Hella De Santarossa ebenfalls ein beachtenswertes Auferstehungsfenster von 120 qm.