IN ALLEN VIER ECKEN
SOLL LIEBE DRIN STECKEN
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Ausstellung IN ALLEN VIER ECKEN SOLL LIEBE DRIN STECKEN
Von Almut Andrea, Potsdamer Neueste Nachrichten, 9.9.10.
Ertanzte Bilder
Die Berliner Künstlerin Hella De Santarossa mit ihrer Ausstellung im Museum Fluxus+ (09.09.10)

Die letzten Korrekturen. Hella De Santarossa bei der Vorbereitung für ihre Ausstellung. Foto: Andreas Klaer

Wenige Tage vor Ausstellungseröffnung gelangen Hände, Füße, Schulterstücke, hie und da eine einzelne Brust, geborgen noch in Holzwolle, ins Atrium des Potsdamer Fluxusmuseums. Abgeformt in Ton, später weiß glasiert, landen die Fragmente, vorerst beziehungslos, in der Mitte des Raums. Später werden sie lebensgroßen Figurinen aus geflochtenen Weidenruten angesteckt. Um dann zum räumlichen Mittelpunkt einer Installation aufzusteigen mit dem Titel "In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken". Erdacht und erschaffen von einer Künstlerin, die mit ihrem Werk längst einen festen Platz in der ständigen Sammlung des Hauses gefunden hat.

Hella De Santarossa, Cross-Art-Künstlerin aus Berlin, hier nicht allein bekannt für ihren "Blauen Obelisk" aus Glas am Theodor-Heuss-Platz, ist auch sonst in vielerlei Hinsicht eine Frau der Superlative. In ihrer wildesten Zeit in den achtziger Jahren tanzte die Performancekünstlerin unter anderem zu Rock’n’Roll-Klängen oder Nina Hagen-Songs auf offener Bühne und klatschte eimerweise Farbe gegen die Wand.

So radikal wie damals schreitet Hella De Santarossa heute nicht mehr zu Werke. Doch auch in ihren im Verhältnis ruhigeren Arbeiten spricht noch immer dieselbe Gier nach Leben, dieselbe ungebrochene Vitalität und Sinnlichkeit. Jemand, der mit Fug und Recht von sich behaupten kann, das größte europäische Glasbild realisiert zu haben – entstanden mit einer Gesamtfläche von 170 Quadratmetern als Licht durchflutetes Altarbild für die Kirche St. Florian in München-Riem – lässt sich in Sachen Glaskunst nicht so leicht etwas vormachen.

Hineingeboren vor 55 Jahren in eine seit Generationen in Düsseldorf verwurzelte Glasmalerfamilie, war der Weg der von Anfang an selbstbewussten, vor Kreativität sprühenden Hella zur Vir tuosin im multimedialen Umgang mit Glas genauso folgerichtig wie unkonventionell. Wer ihren Geschichten lauscht, erahnt, dass der tiefere Sinn jedweder Vorgaben am Ende darin besteht, von ihr hinterfragt und aufgebrochen zu werden. Bruchstücke, Glasscherben und -splitter fügen sich in zahlreichen ihrer Arbeiten zwischen Glasscheiben kaleidoskopartig zu einem geheimnisvoll funkelnden Kosmos. Zwar tritt Glas als Werkstoff für die aktuelle Installation mit Leinwandbildern und Skulpturen dezent in den Hintergrund. Und doch hinterlässt Glas als gestalterisches Fluidum, als Lichtträger und Farbimpuls selbst in den unlängst entstandenen Gemälden einen für Hella S. charakteristischen Fingerabdruck.

Kurz vor der Eröffnung von "In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken" erwägt die Künstlerin eine barocke Rahmung ihrer in Acryl auf Leinwand gemalten Bilder. So wie so vieles, was sich in diesem Raum zu einem Ganzen zusammenfügt, befindet sich bis zuletzt alles in Bewegung, in einem Prozess. Am Ende ist es auch das, was die Künstlerin so unbändig liebt: das Unvorhergesehene, Unerwartete, die Überraschung. Einige der kleineren Formate werden erst vor Ort ihre Vollendung erleben. Nach mehreren Wochen des Malens auf dem Gelände der Ziegelei in Glindow erwartet das aktuell entstehende Arrangement für Potsdam quasi stündlich den finalen Pinselstrich. Zwischen ihren vorerst reihum an den Wänden lehnenden Bildern, noch feucht vom durchmalten Sommer, tastet sich die Künstlerin vor zu einer bildinternen Dramaturgie.

"Das sind alles Erinnerungsbilder" gibt sie über ihre Arbeiten preis. Alle haben sie – und wie könnte es bei dieser drahtigen Künstlerin auch anders sein – mit Tanz und Bewegung zu tun, mit Lebensglut und Ekstase. Getanzt hat Hella De Santarossa eigentlich immer: in ihren Jahren in Brasilien Samba und Salsa, später Tango, Disko und noch später Ballett. Am klassischen Bühnentanz fasziniert sie "diese Disziplin und Strenge". Hella De Santarossa ist es wichtig , ihr innerhalb der Ausstellung formal adäquaten Ausdruck zu verleihen. Gleichzeitig eine Polarität zu inszenieren im Kontrast zur Wildheit und Buntheit der Tanzbilder um die rigiden Balletttänzer in Weiß rings herum. Untermalt wird das Ganze zusätzlich durch eine Lichtinstallation und Klangcollage. Die Durchdringung von Farbe, Rhythmus, Form und Bewegung mit Malerei, Skulptur, Licht und Geräuschen durchzieht die Kunst von Hella De Santarossa wie eine Grundmelodie.

Weil ihr das Schubladendenken, die künstliche Trennung etwa zwischen Malerei, Skulptur, Fotografie und Film schon immer ein Dorn im Auge war, setzte sich die Cross-Art-Künstlerin sehr früh über diese Grenzen hinweg. Dem Aufbegehren gegen Einengungen und Willkür jeder Art verschafft sie auch in Bewegung Ausdruck. "Ich ertanze die Bilder", sagt sie und strahlt einen dabei aus diesen intensiv meergrün blitzenden Augen an. Eigentlich kann sie gar nicht anders, als malend zu tanzen, tanzend zu mal en. "Weil einfach die Bewegung für mich alles ist".

Die Ausstellung Hella de Santarossas für Potsdam wird als Vermächtnis zur vitalen Kraft von Tanz und Eros auch zu einer Reminiszenz. Ein Paar, das nebeneinander auf einem Sofa Platz genommen hat, fällt als Bild aus der Reihe dieses Tanzreigens. Auf stillere Weise von Liebe und Vertrautheit redend als die anderen künstlerischen Werke wird es inmitten des Farb- und Lichterwirbels zum distanzierten Ruhepol. Der von hier aus durch den Raum schweifende Blick streift markante Stationen eines bewegten Lebens. In dem sich brasilianische Samba-Tänzer und Walzerpaare und zuckende Leiber im Disko-Beat vereinen. Und wo innere Bilder und entrückte Erlebnisse im Erinnern von Hella De Santarossa Gewissheit werden angesichts leerer Augen und dem Engel der Nacht.

Die Ausstellung wird am morgigen Freitag, 19 Uhr, im Atrium im Museum Fluxus+ in der Schiffbauergasse eröffnet und ist bis zum 30. Januar, mittwochs bis sonntags, 13 bis 18 Uhr.