Cella-St. Benedikt Hannover
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Immer auf der Suche nach neuen Wegen: Der Blick in die Cella St. Benedikt geht jetzt durch das Himmlische Jerusalem
Berliner Glas-Künstlerin gestaltet Fensterfassade des Benediktinerklosters / Auch nach 14 Jahren "immer noch ein Experiment“

Hannover – Die Berliner Künstlerin Hella De Santarossa brauchte drei Anläufe, um das Kloster Cella Sankt Benedikt in Hannover zu finden: "Man kommt ja mit bestimmten Vorstellungen – dicke Mauern, wenigstens eine alte Kirche. Aber davon war weit und breit nichts zu sehen." Irgendwann stand sie dann doch vor dem richtigen Haus in der Voßstraße im Stadtteil List. Seit vergangener Woche weist zumindest das große Schaufenster der Nummer 36 die Passanten auf den geistlichen Ort hin: Hella De Santarossa hat es gestaltet. Von ihr stammt übrigens auch das Marienfenster, das im Christuspavillon auf der Expo zu sehen war.

Zunächst fallen die Schriftzüge der Glasfront auf: Satzfetzen, zunächst ohne Zusammenhang: Der ganze Text ist zu lesen in der Geheimen Offenbarung, in der das Himmlische Jerusalem geschildert wird als eine Stadt, deren Straßen aus Glas und Gold bestehen. "Ein faszinierender Gedanke", sagt die Berliner Künstlerin, die Glas und Gold auch in dieses Fenster eingearbeitet hat. "Jetzt werden die Menschen wohl nicht mehr so wie ich bei meinem ersten Besuch am Kloster vorbeilaufen", hofft Hella De Santarossa. Das wäre auch ganz im Sinne von Dieter Haite und Karl-Leo Heller, den beiden Benediktinern. Schon lange hatten sie überlegt, wie die Fensterfront des ehemaligen Ladens auf den sakralen Raum hinweisen könnte. Und bereits in den vergangenen Tagen haben sie den einen oder anderen vor dem Haus stehen sehen, der sich seine Gedanken über die ungewöhnliche Gestaltung gemacht hat.

So vielfältig wie die Interpretationsmöglichkeiten des neuen Fensters sind auch die Facetten der Cella St. Benedikt, die 1986 auf Wunsch von Bischof Josef Homeyer in Hannover eingerichtet worden war. "Ursprünglich war es ja sein Wunsch, ein altes Kloster im Bistum neu zu beleben – ähnlich wie Marienrode", erinnert sich Bruder Dieter, der von Beginn an dabei ist. Aber in der Abtei in Meschede waren sich die Benediktiner damals einig: "Wir übernehmen diese Aufgabe nur, wenn sie etwas wirklich Neues darstellt. Und das war eben ein Kloster in einer Großstadt des Bistums Hildesheim."

Fünf Ordensbrüder zogen damals in die Räume an der Voßstraße. Heute sind es zwei. Die Gründe sind unterschiedlich: "Unsere Abtei in Meschede ist kleiner geworden und viele der Mitbrüder sind durch die ansässigen Handwerksbetriebe gebunden"“, erläutert Bruder Dieter. Aber er hat in den vergangenen Jahren auch ein Umdenken bei den neuen, jungen Mitbrüdern beobachtet: "Wer heute zu den Benediktinern geht, sucht die große Gemeinschaft." Eine Entwicklung, die er akzeptieren muss, die er aber auch bedauert: "Die Cella bietet viel mehr Möglichkeiten als wir beide nutzen können." Begeistern kann er sich bei dem Gedanken, einen Laden zu eröffnen, in dem Produkte aus dem Kloster verkauft werden – und hinter dem Tresen ein Bruder in Kutte. Nicht Effekthascherei, sondern eine von vielen Möglichkeiten, Kirche und Religion bei Menschen einer Stadt ins Bewusstsein zu bringen, in der sich die Entchristlichung immer stärker und schneller vollzieht. Machbar sind eher die kleineren Projekte: Geplant wird zur Zeit die Reihe "Hör-Räume", in der zeitgenössische Themen durch Musik und Rezitation aufgegriffen werden sollen.

"Weil Kirche in der Minderheit dazu neigt, sich abzuschließen, sind neue Wege in neuen Räumen eine Zukunft", sagt Bruder Dieter – und wünscht sich manchmal ganz konventionell eine eigene Kirche. "Nein, nicht um eine weitere traditionelle Gemeinde zu führen, sondern um etwas ganz anderes entstehen zu lassen." Etwas in dieser Richtung hat er auf der EXPO im Christuspavillon erlebt: Kirche, die neue Wege beschreitet, an denen er maßgeblich mitarbeiten konnte. Auch die Cella St. Benedikt war in diesen Monaten ein Ort der Begegnung: Allein 900 Übernachtungen verzeichnet die Statistik. "Ein Geben und Nehmen, ein Austausch, wie wir ihn uns vorstellen."

Längst ist wieder Ruhe eingekehrt. Zwei Ordensleute – die kleinstmögliche christliche Gemeinschaft. "Manchmal fällt es uns schwer, dieses Leben zu führen. Es ist ein ständiges Tasten nach neuen Wegen“, geben die beiden Benediktiner zu. Bei Martin Walser ist Bruder Dieter vor einigen Jahren auf einen Satz gestoßen, der Halt gibt: "Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße." Halt geben auch die Kontakte zu den Mitbrüdern in der Abtei, geben die Beziehungen, die sie in den Jahren der Cella geknüpft haben. Die Brüder führen kein zurückgezogenes Leben hinter Klostermauern. Beide haben in der Voßstraße ihre Praxen eingerichtet: Dieter Haite bietet Supervisionen für Menschen aus Wirtschaft, Pädagogik und Seelsorge an, Karl-Leo Heller behandelt Menschen mit Sprach- und Stimmstörungen. So finanzieren sie zumindest zum Teil ihr Kloster, das sie nach wie vor als Experiment betrachten. "Unsere Idealvorstellungen haben wir noch längst nicht erreicht. Aber das wäre wohl auch schlimm. Denn das hieße, dass wir unsere Ideale zu tief gehängt hätten."
Stefan Branahl